Harry Kleinschmidt: Luftfahrt in Lübeck Eine Chronik über Lübecker Flugplätze zu schreiben ohne weit in die Entstehungsgeschichte der Fliegerei zurückzugreifen ist nicht möglich und wird der Geschichte der Lübecker Flugplätze nicht gerecht. Der Faszination sich einmal von der Erde zu lösen und wie ein Vogel über "alles" hinwegzufliegen waren die Menschen seit jeher erlegen. Es gibt wenig brauchbares Material um eine Chronik zu schreiben Aufzeichnungen und Statistiken widersprechen sich oft. Aber müssen wir alles so genau wissen? Viele Unterlagen liegen verborgen in den Schränken der Zeitzeugen oder ihrer Nachkommen. Herr Dirschauer hat in mühevoller Arbeit Material gesammelt und unendliche Gespräche führen müssen, um seine Bücher zu füllen. Eine respektable Leistung, aber gab es mehr? Oder war es nicht so? Oder stimmt das Datum nicht? So sollen auch die folgenden Aufzeichnungen nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Ikarus kam in seiner Freude der Sonne zu nahe, Leonardo da Vinci baute erst mal ein Modell (1500), der Schneider von Ulm hatte auch keinen Erfolg, aber die Begeisterung für den Traum zum Fliegen wuchs unaufhörlich! Man baute erst einmal "leichter als Luft", d.h. also: Ballone! Die Brüder Montgolfiere in Versailles haben sicherheitshalber keine Personen mitfahren lassen. (19.9.1783) Dann aber, wohl wegen des Erfolgs, zwei Monate später bei Paris, erfolgte ein Aufstieg mit Personen. Aber nun zu Lübeck: Der Druckereibesitzer Jürgens baute 1784 einen Heißluftballon, aber der Aufstieg fand bei Hannover statt, weil man vermeiden wollte in die Ostsee zu fallen. 1792 dann Herr Enslen mit dem in Lübeck gebautem Ballon. Im selben Jahr der 44. (!) Aufstieg von Blanchard in Lübeck. Einige Jahre später soll die französische Gräfin Chasot, sie wohnte im Schloß "Marli", einen Ballonaufstieg auf dem heutigen Burgfeld durchgeführt haben. Für eine Frau in damaliger Zeit bewundernswert. Aber sie war als Mannweib verschrien, weil sie immer in Reithosen umhergelaufen ist. Das war bisher die Luftfahrt "leichter als Luft". Im Jahre 1852 wurde ein Ballon durch Einbau eines Motors lenkbar gemacht. War das schon die Geburt der Luftschiffe? Im Jahre 1884 hat Herr Baumgarten Erfolge gehabt, so daß im Jahr 1900 das LZ 1 "Perceval" als erstes starres Luftschiff gebaut wurde und dann im Jahr 1906 hinter der heutigen Strafvollzugsanstalt landete, und wieder startete. Das Infanterie-Regiment 6, aus der Marlikaserne, stellte die "Haltemannschaft", da es keinen Ankermast gab. Nun war die "Fliegerei" nicht mehr aufzuhalten. So erfolgte 1908 die Gründung des "Lübecker Verein für Luftfahrt e.V." mit immerhin schon 120 Mitgliedern. Otto v. Lilienthal entwickelte 1894 ein Gleitflugzeug. Nun begann die Fliegerei "schwerer als Luft" In Nordenham soll schon etliche Jahre früher ein Uhrmachermeister, der auch die "Temperatur-Unempfindliche Pendeluhr" erfand, erfolgreiche Gleitflüge durchgeführt haben. Leider liegt kein brauchbares Material vor. Dann: 17.12.1903 Gebr. Wrigh, 1915 erstes Metallflugzeug, die Junker Jl, und dann endlich 1920 begannen die Passagierflüge. Und nur 70 Jahre später: Überschallflugzeuge in 3,5 Stunden über den Atlantik! Nunmehr wurden in Lübeck der "Flugplatz - Karlshof" an der Travemünder-Allee von 1912 - 1919 betrieben. Die Luftfahrzeug-Industrie wurde rapide ausgebaut und im Juni 1914 dann der Flugplatz "Travemünde-Priwall" dem Verkehr übergeben. Die Deutschen-Flugzeug-Werke-Leipzig und die Caspar Flugzeugwerke haben in den Jahren 1921 - 1930 eine große Anzahl von Flugzeugen, man spricht von 123 verschiedenen Typen, entwickelt, gebaut und geflogen. Auch die Flender-Werft hat 2 Flugzeuge in Holzbauweise gebaut, die aber meines Wissens niemals geflogen sind. Der Flugplatz "Lübeck-Blankensee" wurde in den Jahren 1916 - 1917 gebaut. Diese milit. "FLIEGERSTATION - LÜBECK" wurde am 15.7.1917 mit einem Werftgebäude, sechs Flugzeugschuppen, einem Güterschuppen (steht heute noch!), einem Kraftwagenschuppen, einer Verladerampe, einem Kohlenlagerplatz und ca. 4 ha mit Unterkunftsräumen bebauter Fläche fertiggestellt. Der Ausbildungsbetrieb begann im August 1917. Aufgrund von Bestimmungen der Siegermächte des 1. Weltkrieges, keine Militärmaschinen mehr, zivile Luftfahrt im begrenzten Umfang, trafen bis Ende 1919 Feldflieger zur Demobilisierung ein. Die Hallen mußten geräumt und sämtliche Militärflugzeuge zerstört werden. Der Versuch Fluggerät der Polizei-Fliegerstaffel-Hamburg zu erhalten, schlug 1921 als Folge des Versailler Friedensvertrages fehl. Ein paar Jahre wurde das Flugplatzgelände landwirtschaftlich genutzt. Schon im Jahre 1922 wurden die Heinkel-Flugzeugwerke auf dem Priwall gegründet. Nun endlich erfolgte 1926 die Neubelebung des Luftverkehrs und der allgemeinen Fliegerei. Durch Zusammenschluß der Firmen "Junkers-Luftverkehr" und "Aero-Lloyd" entstand die "Deutsche-Lufthansa" und nahm am 1.5.1926 den Streckendienst auf. Lübeck-Priwall wurde auf der Strecke Berlin-Lübeck- Kopenhagen-Malmö angeflogen. Der Luftverkehr nahm erheblich zu, so daß der Priwall erheblich ausgebaut werden mußte. Während der Bauzeit diente Blankensee als Ausweichflughafen. Nach Ausbau des Priwalls wurde er zum "Reichsüberseehafen" benannt. Mit Schwimmerflugzeugen wurde nach Kopenhagen geflogen, mit dem "Land"-Flugzeug schien die Strecke über die Ostsee zu riskant. Um den "Reichsübersee-Flughafen" nun auch voll wirtschaftlich zu nutzen wurde 1927 die "HanseatischeFlughafengesellschaft" gegründet, die dann sämtliche Aktivitäten übernahm. Schon 1928 wurden 1.053 Landungen mit Post, Fracht und Passagieren durchgeführt. Die "Deutsche-Lufthansa" richtete ihre Bezirksleitung ein. Der "Reichsübersee-Flughafen-Priwall" wurde als "Fliegerische-Drehscheibe" des Nordens bezeichnet. Den großen Erfolgen der Lübecker Luftfahrtindustrie zu folgen hat die "Deutsche-Luftfahrtindustrie" eine Erprobungsstelle eingerichtet die den Flughafen für die Zukunft stark geprägt hat. Bis 1930 wurde Lübeck-Blankensee von den Vereinen - Lübecker Verein für Luftfahrt - Flugtechnischer Verein Lübeck - Ortsgruppe Ring der Flieger und verschiedenen außerhalb von Lübeck ansässigen Luftsportvereinen für Flugveranstaltungen genutzt. Nun folgten 1930-33 Jahre in denen die Fliegerei völlig am Boden lag, Blankensee wurde vom Lübecker Senat für landwirtschaftliche Nutzung verpachtet. Das "Deutsche-Reich" übernahm dann Travemünde mit der E-Stelle der Industrie, und richtete eine milit. E-Stelle und ein Luftzeugamt ein. Diese militärische Erprobungsstelle hatte hervorragendes Fachpersonal und betrieb eine sehr "bewegte" und erfolgreiche Forschung und Erprobung bis zum Ende des Krieges 1945. Es würde den Rahmen dieser Aufzählung sprengen, wenn hier Einzelheiten aufgeführt würden. Interessierte mögen die drei Bände "E-Stellen Travemünde und Tarnewitz" und der "E-Stelle-See" erschienen im Luftfahrtverlag Axel Zuerl, Steinbach-Wörtersee, lesen. Der zivile Luftverkehr hatte für die damalige Zeit einen beachtlichen Umfang angenommen. Ab 1933 wurde der Flugplatz auf die doppelte Flächengröße erweitert und für die Luftwaffe mit Mannschafts- und Gerätegebäuden sowie Flugzeughallen an der Blankenseer Straße ausgestattet. Beheimatet waren u.a. das "Immelmann"- und "Löwen-Geschwader". Neben dem militärischen Flugbetrieb fanden bis zum Beginn des 2. Weltkrieges Flugtage und Flugveranstaltungen statt. Die Segelflieger durften den Flugplatz mitbenutzen. Nach dem 2. Weltkrieg hatte Deutschland vorerst keine "Lufthoheit", bis 1952 (Segelflug) und 1955 (Motorflug). Während der Blockade Berlins war der Flughafen Lübeck-Blankensee ein wesentlicher Stützpunkt für die Luftbrücke nach Berlin. Über 300 Flüge täglich mit Lebensmittel, nach Berlin, und zurück mit Flüchtlingen, die in der Kaserne in Blankensee ihre vorläufige Unterkunft fanden. Um die für diese Flugzeuge, hauptsächlich DAKOTA, reibungslose Starts zu ermöglichen, wurde eiligst die Startbahn gebaut. (Die Firmen Kemmna und Strabag bekamen so ihren ersten Auftrag nach dem Kriege.) Für den. Flughafen bestand noch ein militärischer Bauschutzbereich, der erst 1961 in einen zivilen Bauschutzbereich nach 12 LVG umgewandelt wurde. Somit waren die luftrechtlichen Voraussetzungen für den späteren zivilen Ausbau gegeben. Die neue Epoche für Lübeck-Blankensee begann dann 1952. Der Aero-Club v. Lübeck e.V. übernahm vom Bundesvermögensamt das Flugplatzgelände und wurde vom Minister für Wirtschaft und Verkehr des Landes Schleswig-Holstein als Platzhalter bestätigt. Es begann dann 1955 die Motorfliegerei. Die Zieldarstellungs-Flüge wurden mit alten "Spitfire" Jagdflugzeugen mit "ausländischen" Piloten durchgeführt. Die wirtschaftliche Grundlage für den Platzhalter war dadurch erträglicher. Die erste Unterstell- und Wartungshalle wurde für die Zieldarstellung (DLB) errichtet, Nun liefen die Interessen der "Sportflieger" auseinander. Einige Motorflieger, die übrigens eine sehr kurze Vergangenheit als Piloten hatten, fühlten sich durch die Übermacht der Segelflieger finanziell in der Planung benachteiligt, und gründeten einen eigenen Verein für den Motorflug, den "Lübecker Verein für Luftfahrt e.V." Aber auch in diesem Verein haben die Gründer keine Heimat gefunden, sie wurden bald ausgeschlossen. Aber der Fliegerei hat diese Teilung der Sportsparten nicht geschadet. Ein freundschaftliches Zusammenleben zeichnet die echte Fliegerkameradschaft bis zum heutigen Tage aus. Der zunehmende Flugbetrieb überstieg dem eigentlichen Zweck des Aero-Club; die Gemeinnützigkeit war in Gefahr. Es wurde mit der Hansestadt-Lübeck Verhandlungen für die Übernahmen des Flugplatzes durch die Stadt geführt. Im August 1958 wurde dann die "Betriebsgesellschaft Flugplatz Lübeck-Blankensee mbH" mit 90%-tigen Anteil der Hansestadt Lübeck gegründet. Jeweils 5% des Stammkapitals der Gesellschaft übernahmen der Aero-Club v. Lübeck e.V. und der Lübecker Verein für Luftfahrt e.V. Vier Sitze im Aufsichtsrat der Gesellschaft bekam die Stadt Lübeck, der Aero-Club als ehemaliger Platzhalter zwei und der Lübecker Verein für Luftfahrt einen Sitz. Damit waren auch die Bemühungen des Aero-Club um die Erhaltung des Flugplatzgeländes als Flugplatz honoriert, und die Verwendung als Kranken-Bewegungs-Flächen endgültig ausgeräumt. Hier muß auch der dafür zuständige Kpt. der engl. Royal-Navy gebührlich in Erinnerung gebracht werden. (Die Namen der drei Beteiligten sind bekannt, sollen aber nicht erwähnt werden.) Später wurde dann die Gesellschaft in "Flughafen Lübeck GmbH" geändert. Die beiden Vereine haben ihr jeweils 5%-tiges Anteil an die Stadt abgeben, somit ist die Hansestadt-Lübeck 100%-tiger Eigentümer der Gesellschaft. Die Stadt hat dann das Flughafengelände von der Bundesrepublik erworben Der Ausbau des Flughafens lief zügig weiter, er wurde naturgemäß durch die "Zonengrenze" stark gebremst. Auch Aktivitäten der Vereine mit der Durchführung von Flugtagen und den Ostseerallyes trugen erheblich zur Belebung bei. Über die Geschichte der einzelnen Vereine und der Flughafengesellschaft müßten eigene Chroniken geschrieben werden, ihre Aktivitäten würden an dieser Stelle nicht ausreichend gewürdigt werde. Wie schon gesagt, es soll hier nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden, sondern es sollen nur die Bemühungen und die fliegerische Begeisterung der Leute "vor uns" nicht vergessen werden. Es kann sein, daß es mal wirklich einen Ruhestand gibt, dann greift jemand vielleicht noch mal zur Feder um alles noch genauer aufzuschreiben.
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